Dr. Marcus Lüdecke
Data Scientist, Voith Innovation & Technology, Heidenheim (Deutschland)
Lernen Sie Dr. Marcus Lüdecke kennen, KI-Experte und Data Scientist bei Voith Innovation & Technology, Heidenheim (Deutschland).
Dr. Marcus Lüdecke ist Senior Data Scientist bei Voith Innovation & Technology. Nach einem Mathematikstudium und anschließender Promotion in Augsburg hat er in mehr als den letzten zwei Jahrzehnten in einer Reihe von im jeweiligen Marktsegment führenden Unternehmen an verschiedenen Themen gearbeitet, wie beispielsweise „2-D-Knappsack“-Optimierungsproblemen von automatisierten Zuschnittsystemen, der Entwicklung mittelgroßer bis größerer Datenbanken im Hinblick auf effizientes Data Mining (heute mittlerweile ein Teilbereich der KI) und allgemeiner der Lösung von Problemstellungen, die entweder datengetrieben oder stark mathematisch geprägt sind.
Seit Mitte 2016 bei Voith tätig, ist er nach seinem Einstieg bei Voith Turbo heute Mitglied der Abteilung „Artificial Intelligence & Analytics“, die sich der Herausforderung stellt, immer mehr Wert aus Daten zu schöpfen; ein Unterfangen, dessen Erfolg dank neuer Fortschritte im Bereich der KI stets weiter in greifbare Nähe rückt.
Lesen Sie nachfolgend das vollständige Interview, um mehr über Dr. Marcus Lüdecke und seine Arbeit zu erfahren.
Herr Dr. Lüdecke, Sie beschäftigen sich mit KI und maschinellem Lernen bei Voith. Können Sie uns einen Einblick in Ihren Arbeitsalltag geben? Was ist besonders interessant an Ihrer Arbeit?
Um das volle Potenzial der verfügbaren Daten und die Fortschritte bei den Berechnungsmethoden im Rahmen einer „tiefen“ Analyse dieser Daten zu nutzen, müssen Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen zusammengebracht werden. Dies erfordert mehr Kommunikation, als man zunächst annehmen möchte. Es ist notwendig, sich auf eine gemeinsame Terminologie zu einigen, offen dafür zu sein, „wie“ man das Problem letztlich angeht, andere Standpunkte zu akzeptieren und vor allem - weniger zu reden und mehr zuzuhören. Nur so kann ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis und gemeinsames Verständnis als Grundlage für allen weiteren Erfolg entstehen.
„Abgesehen davon, dass dies bisweilen gar nicht so einfach ist - warum ist das so wichtig?“
Wir sind alle Menschen mit unseren Stärken und Schwächen – und eine der Letzteren ist, allzu leicht dem Klischee zu verfallen, neue Ideen jenseits von technischen Ansätzen, die sich manchmal über Jahrzehnte hinweg etabliert haben, mit einem Achselzucken abzutun und eine „kann nicht funktionieren da nicht hier erfunden - Haltung“ einzunehmen. Aber KI hat Methoden anzubieten, die zu Bestehendem komplementär, ergänzend und nicht konkurrierend sind. Diese einfache Einsicht muss manchmal mit der Zeit wachsen.
Abgesehen von dieser Zusammenarbeit ist die Datenaufbereitung oft zeitintensiver als es auf dem ersten Blick erscheint. Oft zahlt sich bereits in diesem frühen Stadium ein genauerer Blick auf die Daten aus, indem man sie umformt und gegebenenfalls bestimmte Teile davon ausschließt, bevor später Computer die Anwendung der eigentlichen Algorithmik übernehmen. Unklarheiten, Fehler und Mehrdeutigkeiten werden immer schwieriger zu handhaben, je später sie entlang der „Datenverarbeitungspipeline“ entdeckt werden.
Nach dieser Vorbereitung beginnen die eigentlichen „Data-Science-Aktivitäten“ - aber lassen Sie sich nicht täuschen, das ist nicht der Punkt, an dem man „auf sich gestellt“ mit den Daten zu arbeiten beginnt. Die Palette der KI-Methoden wächst rasant und man kann allein kaum alle verfügbaren Tools in der Tiefe beherrschen, die für die Lösung des jeweiligen Problems erforderlich sein mögen. Daher wende ich mich regelmäßig an Kolleginnen und Kollegen und bespreche mit ihnen die Details der verfügbaren Methoden, die für die Lösung eines Problems hilfreich sein können. Und sobald schließlich erste „Ergebnisse“ vorliegen, wende ich mich an die Expertinnen und Experten des Bereichs, dem die Daten entstammen, um Ergebnisse gemeinsam zu interpretieren und sicherzustellen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Dabei ist – einem alten Sinnspruch aus der IT-Welt entsprechend – über alle verschiedenen Probleme hinweg die eigentliche Konstante der Wandel. Keine Menge an jeweils beteiligten Daten gleicht exakt der anderen; ein Problem mag mir auf den ersten Blick früher schon begegnet sein, aber meist ist es in seiner jetzigen Form doch wieder etwas anders. Auch scheinbar „kleine Unterschiede“ können dabei die notwendige Herangehensweise stark beeinflussen. Diese Tatsache stellt uns immer wieder vor Herausforderungen und manchmal liefert die Betrachtung dieser Unterschiede auch den Schlüssel zu einem bisher nicht gesehenen „einheitlicheren Ansatz“, von dem alle unterschiedlichen Facetten eines Problems profitieren können – eine sehr motivierende wenn auch nicht allzu häufige Art von Erfolg.
Bitte beschreiben Sie die Arbeitsatmosphäre bei Voith.
Wie bereits erwähnt, ist ein großer Teil der täglichen Arbeit der Kommunikation gewidmet. Dabei erlebe ich die Arbeitsatmosphäre als sehr offen, kooperativ und hilfsbereit. Es liegt wohl in der Natur der Sache, dass Fristen stets knapp bemessen sind und Herausforderungen mit sich bringen. Jedoch habe ich immer erlebt, dass alle Beteiligten sehr bestrebt waren, eine Lösung im Rahmen des Budgets und der Zeitvorgabe zu finden.
Andererseits habe ich im Laufe der Jahre gelernt, dass es bei Anfragen, die den angedachten Rahmen sprengen, wichtig ist, dies direkt und ohne Umwege zu kommunizieren, die wichtigsten Hindernisse herauszuarbeiten und zu benennen und anschließend einen für alle Beteiligten zufriedenstellenden Kompromiss zu finden. In diesen Situationen habe ich die Teilnehmenden als sehr konstruktiv erlebt, sich nicht mit der Frage beschäftigend, wer wo vielleicht „Schuld wäre“, sondern sich auf die Lösungsfindung konzentrierend. Und ob es einem nun gefällt oder nicht, die Notwendigkeit, diese Szenarien erfolgreich zu bewältigen ist gar nicht so selten, wie man es sich vielleicht wünscht. Durch sorgfältige Planung lassen sich zwar Fallstricke bis zu einem gewissen Grad vermeiden, aber die Frage ist nicht, ob ein Problem auftauchen wird, sondern vielmehr, wann es auftauchen wird.
Der erfolgreiche Umgang mit diesen Feinheiten macht den wahren Unterschied auf dem Weg zum Erfolg aus.
Mit welchen innovativen Technologien beschäftigen Sie sich aktuell? Können Sie uns hier einen kleinen Einblick geben?
Beginnen wir mit „erklärbarer KI“: es ist zwar schön, ein System zu haben, das bestimmte Arten von Maschinenausfällen frühzeitig vorhersagt, aber das ist bestenfalls die halbe Miete, denn es wirft natürlich nur die Frage auf: „Warum wird es ausfallen, welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um einen Ausfall zu vermeiden?“.
Mit anderen Worten: erwünscht ist eine „Ursachenanalyse“ – zu wissen bzw. nachzuvollziehen, „wie“ welcher KI-Algorithmus zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist. Leider ist es bisweilen schwierig (z.B. für komplexere neuronale Netze), diesen Einblick zu erhalten. Zurzeit wird viel daran gearbeitet, die Einsicht in die Schlussfolgerungen derartiger Konstrukte zu verbessern.
Ein weiteres spannendes Thema ist das so genannte „Quantencomputing“: Nachdem die theoretischen Grundlagen hierfür bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten gelegt wurden, wurden derartige Maschinen in den letzten 10 Jahren auch wirklich gebaut und existieren nun tatsächlich; damit verbunden ist ebenfalls ein sich schnell entwickelndes „Ökosystem“ verschiedenster damit verbundener Aktivitäten entstanden. Auch wenn in diesem Bereich noch erhebliche Herausforderungen zu bewältigen sind, damit diese neuartigen Computer „alltagstauglich“ werden, wird deren Potenzial in einigen Bereichen der Datenverarbeitung definitiv eine Umwälzung bedeuten.
Diese Art von Computern arbeitet grundlegend anders und wird in der Lage sein, bestimmte Probleme zu lösen, die mit heutiger Hardware nicht in angemessener Zeit zu bewältigen sind. Dieser fundamentale Unterschied in der Funktionalität bedeutet aber auch, dass das Programmieren dieser Maschinen ebenfalls grundlegend anders abläuft als das Schreiben von Programmen im klassischen Sinne. Spätestens an dieser Stelle wird es interessant - man muss Probleme so umformulieren, dass sie zur Natur dieser Maschinen passen und deren Fähigkeiten genutzt werden können.
Und nicht zuletzt möchte ich den Bereich der Aktivitäten erwähnen, der heutzutage als „starke KI“ bezeichnet wird. Während eine als „schwach“ bezeichnete KI auf eine sehr spezifische Problematik beschränkt bleibt, soll eine „starke KI“ neue Ansätze zur Lösung von Problemen vorschlagen, indem sie vermeintlich nicht zusammenhängende Bereiche tief miteinander verknüpft, und indem sie selbst Abstraktionen erzeugt, die dann als Brücken zwischen diesen Bereichen dienen.
Vielleicht erinnern Sie sich an die Frage, die manchmal am Ende von z.B. Mathematik- oder Physikprüfungen in der Schule gestellt wird – die typische „Transfer“-Frage, auf die Ihre erste Reaktion war: „Was hat das jetzt mit dem zu tun, was ich gelernt und für die Prüfung vorbereitet habe?“. Genau darum geht es bei der starken KI: Wissen und Methoden auf sehr unterschiedliche Probleme anwendbar zu machen, indem man einen gemeinsamen abstrakten Begriff identifiziert, der in beidem vorhanden ist.
KI bietet ein breites Aufgabenspektrum. Welche Fähigkeiten sollten KI Entwicklerinnen und Entwickler mitbringen, um den digitalen Wandel rund um Industrie 4.0 bei Voith voranzutreiben?
„Es gibt viele Tugenden, die den Weg zum Erfolg ebnen können.“ Auch wenn sich wahrscheinlich niemand in allen folgenden Aspekten gleichzeitig auszeichnet, würde ich meinen, dass die folgenden Punkte aufgeführt werden sollten, auch wenn sie nur den eher technischen Teil der Arbeitsinhalte betreffen:
Beherrschung des grundlegenden Handwerkszeugs, d.h. vertiefte Kenntnisse in mindestens einer Programmiersprache, die eine „KI-Affinität“ aufweist, wie R oder Python. Ergänzt werden diese Kenntnisse am besten durch ein gewisses Fachwissen über grundlegende Paradigmen der Programmierung, wie zum Beispiel Entwurfsmuster. Abgesehen davon ist ein gewisser mathematischer oder physikalischer Hintergrund nicht unbedingt erforderlich, kann aber hilfreich sein. Angesichts der immer schneller aufkommenden neuen Ansätze und Algorithmen ist es schwierig, den Kern jeder dieser Konzepte zu beherrschen. Andererseits kann es hilfreich sein, wenn man in der Lage ist, genau diese Details, wo es nötig ist, zu verstehen.
„Und das war's… natürlich nicht!“
Wie bereits angedeutet, gibt es einen zweiten Teil dieser Liste von Eigenschaften - Eigenschaften, die nicht technischer Natur, aber ebenso wichtig sind wie die oben genannten: Kommunikationsfähigkeit und Offenheit für die Ansichten anderer.
Und schließlich sollte man eine ausgeprägte Kreativität mitbringen, um über Standardansätze hinauszugehen. Am besten gepaart mit genau der Eigenschaft, die jeder, der im weitesten Sinne Wissenschaftler ist, mitbringen sollte: die Neugier, Dinge zu erforschen.
Warum sollten Ihrer Meinung nach sowohl junge Leute, als auch Berufserfahrene eine Karriere bei Voith einschlagen?
Einfache Antwort: Weil man hier seine ganz eigene Erfolgsgeschichte schreiben kann. Wie ich darauf komme? Da meiner Erfahrung zufolge Ihre Stimme gehört und Ihr Beitrag berücksichtigt wird.
Das Voith Management hört sich neue vielversprechende Konzepte an und ist ihnen gegenüber offen, erkennt aber auch Fehler und lernt daraus. Es gibt eine Fülle an Möglichkeiten hier, „sein eigenes Ding zu machen“. Wenn Sie den tagtäglichen Trubel eines kleinen Start-Ups erleben möchten, so ist diese Möglichkeit bis zu einem gewissen Punkt gegeben, allzu oft aber sind Projekte „weit größer als der Einzelne“ und involvieren eine Maschinerie hinter den Kulissen, deren verschiedene Herausforderungen von niemandem allein, sondern nur mehr durch ein Team bewältigt werden können.
Und oft beziehen sich die Projekte auf Produkte, für die bereits eine große Anzahl im Feld existiert - das kann man nicht mit „nur kurzfristig orientierten Ansätzen“ bewältigen. Es ist zwar bekannt, dass die erforderliche solide Basis eine gewisse Trägheit mit sich bringt, aber daran ist nichts verkehrt – für mich stellt dies ab einer gewissen Firmengröße eher ein typisches Merkmal dar. Andererseits: Wenn Sie Ideen haben, werden Sie höchstwahrscheinlich auch Mittel erhalten, um diese weiterzuentwickeln. Wie bereits erläutert, haben Aktivitäten hier häufig viele Facetten und bieten insofern vielfältige Möglichkeiten der Mitwirkung.
Gibt es noch irgendetwas, das Sie noch ansprechen möchten?
Ich bin mir zunehmend unsicher, ob ich noch wirklich jung bin, aber ich kann zumindest sicher sagen, dass ich älter werde. Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte aus meiner Erfahrung in all den Jahren erzählen - eine Geschichte darüber, was „am Ende des Tages“ zählt.
Es gibt ein Zitat von Herrmann Hesse, „jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ - und das stimmt. Vor allem zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn habe ich diesen enthusiastischen Geist bei der Arbeit an neuen Problemfeldern erlebt. Und obwohl ich mir wünschen würde, dass dieser Zauber in Ihrem Fall hoffentlich sehr lange anhält, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass er mit der Zeit wahrscheinlich etwas nachlassen wird. Sie werden über die Jahre einen ganzen „Zoo“ verschiedener Probleme erleben, und da dieser Zoo absehbar, wie vorher bereits geschildert auch zunehmend sehr ähnliche Spezies enthalten wird, könnte der anfängliche vorgenannte Enthusiasmus etwas nachlassen. Daran ist nichts auszusetzen - ich denke, das ist normal und Teil der menschlichen Natur.
Aber: Was auf Dauer lohnend bleibt, ist die „innere Zufriedenheit“, die Sie erleben, wenn Sie die nächste Herausforderung angehen und eine Lösung dafür finden. Nicht, weil man Ihnen sagt, dass Sie gute Arbeit geleistet haben. Nicht, weil es Punkt 100 auf Ihrer Liste der bewältigten Herausforderungen ist. Sondern einfach, weil Sie selbst wissen, dass Sie es richtig gemacht haben.
Sie möchten solche Momente erleben? Das geht! Hier – bei Voith.
Wussten Sie, dass das Talent unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die wichtigste Triebfeder für unseren Erfolg ist? Kompetent, motiviert und immer mittendrin – das sind die Menschen, die unsere Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit vorantreiben.
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