Out of the box
Die Straße lenkt mit
Dr. Ilja Radusch leitet den Bereich Smart Mobility des Fraunhofer-Instituts FOKUS in Berlin. Um den künftigen Mischverkehr aus konventionellen und hochautomatisierten Fahrzeugen zu optimieren, forscht er an einer hybriden Straßeninfrastruktur.
Herr Dr. Radusch, was passiert, wenn sich autonome und manuell gesteuerte Lkw und Pkw künftig die Straße teilen?
Wir erwarten ganz klar, dass sowohl die Sicherheit als auch die Effizienz mit zunehmender Verbreitung der automatisierten Systeme steigen werden. Historisch ist das zum Beispiel durch die Einführung der intelligenteren Abstandsregeltempomaten bereits belegt. Zudem ist der Mensch aktuell der Hauptverursacher von Unfällen und die Erkenntnis, dass sehr schnelles Fahren nicht zu einer früheren Ankunft führt, hat sich in der Allgemeinheit durchgesetzt.
Um den Mischverkehr zu regeln, stellen Sie der bislang passiven Straße das Konzept der hybriden Straße entgegen. Was kann sie konkret leisten, um den Verkehrsfluss zu steigern und die Unfallzahlen zu senken?
Die Digitalisierung macht auch vor dem Straßenraum nicht halt. Das beginnt beim digitalen Zwilling von Lichtsignalanlagen wie Ampeln, die zusätzlich zum Licht auch per Datenkommunikation ihre aktuelle – und sehr wichtig: zukünftige – Signalphase mitteilen. Neben einer hochgenauen Positionierung gerade im Kreuzungsumfeld arbeiten wir zudem am Smartphone-basierten Gefahrenwarner, der sowohl Unfälle mit Fahrzeugen als auch mit ungeschützten Verkehrsteilnehmern bei Unachtsamkeit verhindern soll. Nächster Schritt wäre die dynamischere Aufteilung des Straßenraums. Sinnvoll wäre beispielsweise, bei schönem Wetter mittels LED-Markierungen im Boden Fahrradwege noch breiter werden zu lassen oder bei Regen für mehr Abstand zu den Fahrzeugen sorgen zu können.
Lässt sich die Straße überhaupt maximal effizient nutzen, solange nicht alle Fahrzeuge autonom und vernetzt sind?
Es wird zumindest sehr schwer. Insbesondere beim Güterverkehr hilft nicht nur die Vernetzung der Lkw untereinander, sondern vor allem das digitale Zusammenspiel mit den vor- und nachgelagerten Akteuren. Ein Drittel der Lkw sind leer unterwegs, etwa auf dem Rückweg von einer Lieferung. Hier müssen wir wesentlich besser werden, diese Transportkapazitäten mit einer vernetzten Logistik sinnvoll auszunutzen.
Wären hybride Straßen mit einer beispielsweise für autonome Lkw reservierten Fahrspur ein guter Einstieg in das „Zusammenleben“ manuell und autonom gesteuerter Fahrzeuge?
Eine spezielle Spur – etwa analog zu High Occupancy Lanes in den USA – würde natürlich helfen. Besonders, wenn dort rechtlich, baulich und gegebenenfalls technisch die Einhaltung von Rahmenbedingungen wie Hindernisfreiheit sichergestellt würde. Dann wäre auch denkbar, dass Transportdienstleister sich bestimmte Zeiten und Abschnitte reservieren, um so Ankunftszeiten garantieren zu können.
Wenn die hybride Straße die Leistung dieses Verkehrsraums erhöht, wird die Verkehrsdichte dort nicht weiter anwachsen zulasten der nachhaltigeren Schiene?
Die Vernetzung des Verkehrs bezieht sich nicht nur auf die Straße. Auch die Schiene muss einbezogen werden. Auf Hauptstrecken kommt es für Güterzüge zu Engpässen. Massenfracht wie Kohle geht zurück, die Fracht wird kleinteiliger. Diesen Herausforderungen begegnet man am besten mit einer Mischung der Verkehrsträger. Zum Beispiel können die Güter zunächst auf der Schiene transportiert werden. Die letzte Meile übernimmt ein automatisierter Elektro-Lkw und bringt die Fracht bis zum Werkstor. Die Digitalisierung sorgt dabei auch für eine bessere Vorhersag- und Planbarkeit – und damit für ein effizientes Zusammenspiel der verschiedenen Mobilitätsformen.