Hybridlösungen
Dr. Klaus Krüger, Head of Plant & Product Safety and Innovation bei Voith Hydro, erläutert, warum Hybridlösungen immer wichtiger werden für die Erzeugung und Speicherung von sauberer, erneuerbarer Energie.
In einem Wald oberhalb der baden-württembergischen Kleinstadt Gaildorf befindet sich ein einzigartiges Erneuerbare-Energien-Projekt im Aufbau: der „Naturstromspeicher“, eine Kombination aus Pumpspeicherkraftwerk und Windfarm. Die Oberbecken sind dabei jeweils im Sockel der Windkrafttürme untergebracht. Zur Stromerzeugung wird das Wasser dann über Pumpturbinen in ein Unterbecken abgelassen. Bei einem Überschuss von Strom im Netz wechseln die Wasserturbinen in den Pumpbetrieb und befördern das Wasser aus dem Unterbecken in die Oberbecken in den Windkrafttürmen. Das Unterbecken ist direkt am Fluss Kocher gelegen und kann bei Hochwasser zugleich als Flutungsbecken genutzt werden.
Integrierte Flexibilität
Im September 2016 erhielt Voith den Auftrag über die Lieferung von drei reversiblen Francisturbinen für dieses Pionierprojekt. Dr. Klaus Krüger, Head of Plant & Product Safety and Innovation bei Voith Hydro, betont, dass der Naturstromspeicher mit 16 MW die Integration von erneuerbaren Energien ins Netz vereinfacht. „Pumpspeicherkraftwerke sind eine bewährte Lösung für die flexible Speicherung großer Energiemengen – und damit eine Schlüsseltechnologie in Zeiten, wo immer mehr Strom aus volatilen Quellen wie Wind und Sonne gewonnen wird.“
Die Kombination aus Pumpspeicherkraftwerk und Windfarm ist ein neuer Ansatz, um saubere Energie zu erzeugen und zu speichern. Die Windkrafttürme sind aufgrund der im Sockel integrierten Wasserspeicher (Oberbecken) höher als normal, sodass die Windturbinen mehr Strom erzeugen können. Die Planungs- und Infrastrukturkosten sowie der Eingriff in die Natur können reduziert werden, da sich die beiden Technologien den Servicezugang, den Netzanschluss und das Umspannwerk teilen. „Die Speichermöglichkeit, die kurzen Hochlaufzeiten und die Laststeuerungsoptionen der drei drehzahlvariablen Einheiten ermöglichen den Betreibern ein profitables Agieren auf den verschiedenen Strommärkten, zum Beispiel dem Ausgleichsenergie-, dem Regelenergie- und dem Spotmarkt. Außerdem lassen sich mit der Pumpspeichertechnologie Verlustgeschäfte mit der Windenergie vermeiden, die sonst bei negativen Preisen auf dem Spotmarkt vorkommen können“, fügt Krüger hinzu.
Doch vor allem hat die Unterbringung der Oberbecken in den Windtürmen den Vorteil, dass einige geographische Einschränkungen wegfallen und die kommunalen Versorgungsunternehmen damit neue Standortoptionen für die dezentrale Pumpspeicherung erhalten. „Das Hybridkonzept könnte auch auf kleine Netze, beispielsweise auf Inseln, angewendet werden“, erläutert Krüger. „Dann könnte man sogar Salzwasser anstatt des wertvollen Süßwassers verwenden, mit dem Ozean als Unterbecken.“
Symbiotische Salzwasseranwendungen
Die Nutzung von Salzwasser für Pumpspeicherkraftwerke schafft neue technische Herausforderungen, die aber zu bewältigen sind. Vor allem muss die Anlage vor Korrosion geschützt werden. Krüger und seine Kollegen erforschen jetzt, welches ökonomische Potenzial in der Kombination von Pumpspeicherung und Meerwasser liegt. Im Fokus stehen dabei einige symbiotische Ansätze, bei denen nicht nur Strom produziert wird.
Einer dieser Ansätze könnte helfen, zwei lebenswichtige Ressourcen bereitzustellen: erneuerbare Energie und sauberes Süßwasser. Weltweit wird Meerwasser in Entsalzungsanlagen durch Umkehrosmose in Trinkwasser umgewandelt, indem es durch semipermeable Membranen gepresst wird. Das Verfahren ist allerdings sehr energieintensiv, und häufig stammt der verwendete Strom aus Kraftwerken, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Krüger hat einen Alternativvorschlag: „Eine Kombination aus einem meerwasserbasierten Pumpspeichersystem, das mit Solar- oder Windenergie betrieben wird, und einer passiven Umkehrosmose-Entsalzungsanlage könnte eine effektive und umweltfreundliche Lösung darstellen. Wir würden das Meer als Unterbecken verwenden, und das Oberbecken könnte auf einem küstennahen Berg liegen. Anstatt das Wasser mit Hochdruckpumpen und Motoren gegen die Membran zu drücken, wie in klassischen Umkehrosmose-Anlagen, wäre es ein passiver Ansatz: Der Druck resultiert aus der Gefällhöhe des Oberbeckens. Und dank des konstanten Drucks könnte die Umkehrosmose-Anlage rund um die Uhr arbeiten.“
Wie bei Wasser-Wind-Hybridlösungen würde auch dieses Konzept die Kosten reduzieren, weil es die Systeme an einem Standort zusammenführt und sie vereinfacht. Außerdem würde der Betrieb keine CO2-Emissionen generieren. Solche Pumpspeicherlösungen im großen Maßstab könnten volatile Wind- oder Solarenergie in eine wirtschaftliche, steuerbare Grundlastquelle umwandeln, deren Qualität und Verfügbarkeit vergleichbar mit Kohle- oder Gaskraftwerken ist. Krüger fasst zusammen: „Sie könnten mehr Netzstabilität, qualifizierte Arbeitsplätze und Hoffnung auf eine Zukunft ohne CO2-Emissionen bringen. Außerdem könnten Photovoltaikanlagen und Windturbinen, angeschlossen an ein salzwasserbasiertes Pumpspeicherkraftwerk mit passiver Umkehrosmose-Entsalzungsanlage, wasserarme Küstenregionen mit Strom und Süßwasser versorgen.“