Bahnwelt im Umbruch Überlegungen zu alternativen Antriebskonzepten für Triebwagen

Bahnwelt im Umbruch

Überlegungen zu alternativen Antriebskonzepten für Triebwagen

Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe neigt sich dem Ende zu. Die Zukunft gehört Energieträgern, die CO2-neutral und im Idealfall auf regenerativer Grundlage erzeugt werden. Auch der Schienenverkehr muss sich auf neue Antriebskonzepte einstellen: Prinzipiell scheinen dabei drei Alternativen sinnvoll: Brennstoffzellen, Batterien sowie Verbrennungsmotoren mit nachhaltig produzierten Kraftstoffen.

Schienenfahrzeuge, deren Antriebskonzepte auf fossilen Energieträgern beruhen, sind Auslaufmodelle! Denn in den meisten relevanten Märkten existieren bereits heute gesetzliche Regulierungen, die daran keinen Zweifel lassen. Die Fahrpläne für die Dekarbonisierung, also den Abschied von fossilen Brennstoffen wie Diesel, sind dabei längst fixiert: In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts werden weite Teile der internationalen Staatengemeinschaft den Ausstoß schädlicher Treibhausgase weitgehend auf Null setzen. Ein Schlüssel für die Umsetzung dieser Pläne liegt in einer grundlegenden Verkehrswende. Selbstverständlich ist davon auch der Schienenverkehr betroffen. Denn von den zurzeit etwa 1,3 Millionen Kilometern Fahrweg weltweit sind gerade einmal rund 375.000 Kilometer elektrifiziert – also knapp 30 Prozent. Lokomotiven und Triebwagen mit Verbrennungsmotor – meist mit fossilem Diesel betrieben – sind daher in weiten Teilen der Welt immer noch eher die Regel denn die Ausnahme. Immerhin aber sind kohlebetriebene Dampfloks fast nur noch als touristisch genutzte nostalgische Relikte im Einsatz.

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Von zurzeit etwa 1,3 Millionen Kilometern Fahrweg weltweit sind gerade einmal rund 375.000 Kilometer elektrifiziert – also knapp 30 Prozent.

Grad der Elektrifizierung der Schienennetze

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In Nordamerika beträgt der Grad der Elektrifizierung der Schienennetze aktuell etwa ein Prozent.
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In Asien ist er von 34 Prozent im Jahr 2013 auf heute etwas über 55 Prozent gestiegen.
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In Europa wird rund 46 Prozent des gesamten Schienennetzes mit Dieselfahrzeugen bedient.

Der Grad der Elektrifizierung der Schienennetze schwankt erheblich. In Nordamerika ist es etwa ein Prozent. In Asien ist er von 34 Prozent im Jahr 2013 auf heute etwas über 55 Prozent gestiegen. Auch in Europa wird rund 46 Prozent des gesamten Schienennetzes mit Dieselfahrzeugen bedient. Trotz vieler Bemühungen, mehr Strom an die Schiene zu bringen, ist eine Elektrifizierungsquote von 100 Prozent bis weit über die Mitte des Jahrhunderts hinaus utopisch, allein schon wegen der immens hohen Kosten, die Netzbetreiber in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum in den Ausbau stecken müssten. Aus ökonomischer Sicht lohnt sich die Elektrifizierung zudem meistens erst bei mittlerer bis hoher Verkehrsdichte.

Wer im Jahr 2022 also ein Fahrzeug neu in Betrieb nimmt, muss die Emissionsregelungen des Jahres 2050 mindestens im Hinterkopf haben.

Für Betreiber von Schienenfahrzeugen ist daher der Blick auf innovative Antriebskonzepte einer Post-Diesel-Generation bereits heute unabdingbar. Schließlich sind Nutzungsdauern von 30 Jahren und mehr für Schienenfahrzeuge keine Seltenheit. Wer im Jahr 2022 also ein Fahrzeug neu in Betrieb nimmt, muss die Emissionsregelungen des Jahres 2050 mindestens im Hinterkopf haben. Grundsätzlich bieten sich drei Konzepte für den nachhaltigen Antrieb an: Brennstoffzellen, batterieelektrische Antriebe sowie Verbrennungsmotoren mit alternativen Kraftstoffen. Grundvoraussetzung bei allen Systemen ist, dass die Produktion der Energie klimaneutral erfolgt, etwa mit Photovoltaik, Wind- oder Wasserkraft. Andernfalls ist im Sinne des Klimaschutzes nichts gewonnen.

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Nutzungsdauern von 30 Jahren und mehr für Schienenfahrzeuge keine Seltenheit.
Konzept 1: alternative Kraftstoffe Bio-Diesel wird ganz oder teilweise klimaneutral hergestellt

Konzept 1: alternative Kraftstoffe

Bio-Diesel hat sich in den vergangenen Jahren aus seinem Schattendasein befreit. Der Kraftstoff wird ganz oder teilweise aus aufbereiteten organischen Rest- und Abfallstoffen weitgehend klimaneutral hergestellt und kann CO2-Emissionen um rund 90 Prozent reduzieren. Die Nutzung des Kraftstoffs für Bahnanwendungen ist bereits erfolgreich in der Erprobung. Eine weitere Alternative sind synthetisch hergestellte Kraftstoffe, sogenannte e-Fuels. Hergestellt werden diese mittels Strom aus Wasser und Kohlendioxid. Kommt der Strom für diesen Power-to-Fuel Prozess aus regenerativen Quellen, etwa Photovoltaik, Wasser- oder Windkraft, sind die e-Fuels klimaneutral. Innovationstreiber ist hier die Luftfahrt, die intensiv daran arbeitet, das Thema massentauglich zu machen.
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Bio-Diesel wird ganz oder teilweise aus aufbereiteten organischen Rest- und Abfallstoffen weitgehend klimaneutral hergestellt und kann CO2-Emissionen um rund 90 Prozent reduzieren.

Der Vorteil dieses Konzepts liegt auf der Hand: Vorhandene Fahrzeuge können weiter genutzt werden, da nahezu alle Verbrennungsmotoren problemlos mit dem nachhaltig produziertem e-Fuels zurechtkommen. Voith arbeitet bereits an Lösungen, die speziell für e-Fuels oder auch Wasserstoff ausgelegt sind. Durch den Einsatz modernster Antriebskonzepte können Effizienz und damit auch Schadstoffreduktion dabei noch weiter optimiert werden. Zumindest als Brückentechnologie sind Bio-Diesel und e-Fuels daher denkbare Alternativen auf dem Weg zum Zero-Emission-Ziel.

Voith arbeitet bereits an Lösungen, die speziell für e-Fuels oder auch Wasserstoff ausgelegt sind.
Konzept 2: batterieelektrische Antriebe Nachhaltigen Schienenverkehr

Konzept 2: batterieelektrische Antriebe

Daneben werden jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach Batterien und Brennstoffzellen die Wende hin zu einem nachhaltigen Schienenverkehr stark vorantreiben. Denn vom Straßenverkehr befeuert, gibt es in diesem Segment große Forschungstöpfe. Technologische Entwicklungsarbeit hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Energie- und Leistungsdichte von Batterien immens gestiegen ist. Diese macht sie bereits jetzt als Alternative zu Diesel interessant.

So hat die Österreichische Bundesbahn im Rahmen ihrer Initiative Update Flottenstrategie 2035 schon seit 2019 den Prototyp Cityjet Eco im Einsatz. Die Deutsche Bahn will im Jahr 2023 auf mehreren Strecken mit batteriebetriebenen Zügen nicht-elektrifizierte Teilstrecken überwinden. Die Krux dabei sind Faktoren wie Gewicht der Speicher oder Reichweite der Fahrzeuge: Mit rund 120 Kilometern sind heutige Batterien vor allem für den Nahverkehr oder eben als Überbrückung ausreichend. Entweder geht der Zug dann an eine Ladestation – und hat eine lange Stillstandzeit – oder er zieht seine Energie, wenn er auf einem Streckenabschnitt mit Oberleitung fährt. Zudem schalten die Antriebsmotoren in den Generatormodus, wenn der Lokführer das elektronische Bremssignal gibt. Dieses Prinzip der Rekuperation kennt man vom E-Auto. Längere Reichweiten lassen sich nur durch mehr Batterien erreichen, was das Gewicht des Fahrzeugs signifikant erhöht. Ein wirtschaftlicher Betrieb ist im Augenblick auf langen Strecken daher kaum denkbar.

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Die Österreichische Bundesbahn im Rahmen ihrer Initiative Update Flottenstrategie 2035 schon seit 2019 den Prototyp Cityjet Eco im Einsatz.
Mit rund 120 Kilometern sind heutige Batterien vor allem für den Nahverkehr oder eben als Überbrückung ausreichend.

Trotz dieser Einschränkungen: Ein erster Schritt ist gemacht, und künftige Generationen von Batterien werden Dank einer noch größeren Energiedichte deutlich höhere Reichweiten ermöglichen.

Mit einer breiten Palette an Radsatzgetrieben besitzt Voith bereits heute eine sehr große Kompetenz für alle zukunftstauglichen Konzepte, so auch im Segment elektromechanischer Antriebskonzepte. Weltweit nutzen elektrisch betriebene Schienenfahrzeuge bereits diese Systeme.

Konzept 3: Brennstoffzellen E-Mobilität für die Schiene

Konzept 3: Brennstoffzellen

Auch für Antriebskonzepte, die auf Wasserstoff als Energieträger setzen, sind Batterien notwendig. Diese sind allerdings deutlich kleiner als bei reinen batterieelektrischen Systemen. Der Grund hierfür ist simpel: Sie werden während der Fahrt über eine Brennstoffzelle immer wieder neu geladen. Dieses Herzstück des Wasserstoffantriebs wandelt Umgebungsluft und Wasserstoff in Wasser um, das in Form von Dampf ausgestoßen wird. Entscheidend jedoch ist: Bei dieser exothermen Reaktion entsteht Strom, der die Akkus im Fahrzeugboden auflädt. So steht genügend Energie für den Elektromotor zur Verfügung. Reichweiten von bis zu 1000 Kilometer mit einer Tankfüllung sind dabei alles andere als theoretisch und machen diese Variante der E-Mobilität für die Schiene überaus attraktiv und vorteilhafter als eine batteriebetriebene Variante.
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Reichweiten von bis zu 1000 Kilometer mit einer Tankfüllung sind dabei alles andere als theoretisch und machen diese Variante der E-Mobilität für die Schiene überaus attraktiv und vorteilhafter als eine batteriebetriebene Variante.

Voraussetzung dafür ist ein ausreichend großes und zuverlässiges Speichersystem. Der Technologiekonzern Voith hat im vergangenen Jahr ein innovatives H2-Speichersystem vorgestellt und ist gerade dabei, dieses zur Serienreife zu bringen. Im Augenblick liegen dabei leistungsstarke Anwendungen für die Straße im Fokus. Doch ist das System so ausgelegt, dass es sich leicht skalieren lässt. Besonders spannend ist der Aufbau der Druckbehälter. Sie bestehen aus einem von Voith entwickelten und produzierten CFK-Material. Erstmals kommen bei der Fertigung der Tanks vorimprägnierte Fasern zum Einsatz, sogenannte TowPregs. Getankt wird der Energieträger mit einem Druck von 700 bar, was deutlich mehr ist als bei den aktuell üblichen Tanksystemen. Die Befüllung dauert nur wenige Minuten. Sie kann daher etwa während einer regulären Pausenzeit des Zuges erfolgen.

Fazit

Das definitiv ideale Antriebskonzept für eine Post-Diesel-Generation von Bahnfahrzeugen gibt es nicht.
  • e-Fuels bieten die wohl unkomplizierteste Möglichkeit des Umstiegs. Betreiber sind nicht gezwungen, in eine komplett neue Fahrzeugflotte zu investieren. Im Augenblick bremst die Verfügbarkeit der Kraftstoffe jedoch die weitere Entwicklung. Doch der Aufbau an Produktionskapazitäten schreitet voran. In gleichem Maße wird schon bald die Infrastruktur für e-Fuels ausgebaut werden.
  • Batterieelektrische Systeme sind besonders auf kurzen Strecken bereits heute eine Option. Für den Fernverkehr bedarf es leistungsstärkerer Batterien, die aber frühestens in einigen Jahren in die Serienfertigung gehen werden.
  • Der Brennstoffzellenantrieb besitzt bereits Serienreife. Auf Grund der großen Reichweiten, die mit Wasserstoff möglich sind, sowie verhältnismäßig kurzen Tankzeiten hat sich die Brennstoffzelle mittlerweile zu einem Lieblingskind der Entwickler gemausert. Dem Durchbruch stehen auch hier die zurzeit verfügbaren Kapazitäten gegenüber. Aber auch hier schreitet der Ausbau voran, und einige der traditionellen Ölförderstaaten wie Saudi-Arabien, Norwegen oder Brunei wollen in naher Zukunft Produktion und Export von Wasserstoff deutlich forcieren. Zugleich schreiten die Planungen für Transportkapazitäten sowie Wasserstofftankstellen in zunehmendem Tempo voran.
Auf Grund der großen Reichweiten, die mit Wasserstoff möglich sind, sowie verhältnismäßig kurzen Tankzeiten hat sich die Brennstoffzelle mittlerweile zu einem Lieblingskind der Entwickler gemausert.

Flottenbetreiber werden bei der Wahl des passenden Energieträgers ihrer Fahrzeuge in Zukunft daher ein ganzes Bündel an Einflussfaktoren berücksichtigen müssen: Klima, Topographie und Streckenlänge, verfügbare Primärenergien und deren Kosten, Gewicht und Sicherheit, operative Bedürfnisse wie Fahrplan und Passagieraufkommen sowie Stillstandzeiten zum Nachladen oder Tanken sind nur die wichtigsten Punkte, die bestimmen werden, welcher Energieträger zum Einsatz kommt. Diese Offenheit der Systeme spiegelt Voith in seinem Portfolio der Antriebssysteme wider. Der Technologiekonzern bietet dadurch seinen Kunden die Möglichkeit, das für jede Anforderung optimale Antriebskonzept zu wählen.

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Letzte Aktualisierung: 19.08.2022

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