Schiffsantrieb VSP: Präzise Windradmontage auf dem Meer
Offshore-Windparks wachsen weltweit. Für ihre Montage auf hoher See muss das Schiff punktgenau manövrieren. Dies erfordert einen speziellen Antrieb.
Strom bewegt die Welt
Mehr Menschen, die zunehmende Digitalisierung und eine fortschreitende Elektrifizierung – dies sind einige Gründe dafür, dass die Nachfrage nach Strom weltweit steigt. Um ihn klimaneutral zu gewinnen und die Energiewende voranzubringen, spielen grüne Quellen eine immer bedeutendere Rolle.
Dekarbonisierung heißt der Megatrend dahinter. Um große fossile Kraftwerke CO2-neutral zu ersetzen, führt an Windkraft kein Weg vorbei. Und zwar insbesondere an Windparks auf dem Meer (Offshore). Denn auf der See lässt sich eine wesentlich größere Ausbeute als an Land generieren. Ende 2021 verfügten die weltweit mehr als 10.300 installierten Offshore-Windanlagen über eine Gesamtkapazität von rund 50 Gigawatt, Tendenz stark steigend.
Eine große Herausforderung bei der Errichtung von Offshore-Windkraftanlagen ist ihre Montage. Spezielle Errichterschiffe – Englisch Construction Support Operation Vessel (CSOV) genannt – müssen sich punktgenau positionieren und diese Position präzise halten können. Eines dieser Schiffe ist die Bold Tern der norwegischen Reederei Fred. Olsen Windcarrier. Dieses ist – statt mit klassischen Schiffsschrauben – mit Voith Schneider Propellern (VSP) ausgestattet. Es sind die leistungsstärksten, die Voith Turbo je ausgeliefert hat.
Die iVSP-App ermöglicht einen detaillierten Einblick in die Mechanik und Hydrodynamik des Voith Schneider Propellers (VSP) und seine einzigartigen Propellerkräfte.
Einsatz mit der Bold Tern in der Nordsee
Montage einer Offshore-Windkraftanlage in der Nordsee
Beladung im Hafen
Die Bold Tern und ihr Schwesterschiff Brave Tern sind für den Transport der gewaltigen Offshore- Windkraftanlagen optimiert. Auf der über 3.200 m2 großen freien Deckfläche ist Platz für die Masten, Rotoren und Maschinenhäuser mehrerer Anlagen. Über 9.000 t Last kann jedes der Schiffe aufnehmen. In den 60 Kabinen findet jedes der bis zu 80 Teammitglieder Schlaf, die den Aufbau der Anlage übernehmen.
Anfahrt zum Offshore-Windpark
45 m misst das Deck der Bold Tern. Damit ist es immer noch deutlich kürzer als die mächtigen Rotorblätter moderner Offshore-Windräder, die bis zu 100 m lang sind und beim Transport weit auf das Meer hinausragen. Die Blätter bestehen aus faserverstärkten Kunststoffen, da sich diese Materialien durch sehr gute mechanische Eigenschaften bei geringem Gewicht auszeichnen. Durch die enormen Dimensionen kommen dennoch 25 t und mehr pro Rotorblatt zusammen.
Präzises Positionieren am Einsatzort
Sobald die Bold Tern an ihrem Einsatzort angekommen ist, heben vier markante Hubsäulen das Errichterschiff mehrere Meter aus dem Wasser und verleihen festen Stand. Bis zu einer Wassertiefe von 60 Metern können Windkraftanlagen so sicher errichtet werden.
3.900 kW Leistung mobilisiert der stärkste VSP, den Voith Turbo bislang gefertigt hat. An der Bold Tern sind drei der Aggregate verbaut. Dies entspricht der Leistungsstärke von exakt 13,8 aktuellen Porsche 911 Carrera.
Entscheidend für einen erfolgreichen „Einparkvorgang“ ohne wegdriften und schaukeln sind drei Voith Schneider Propeller vom Typ VSP 36 am Heck. Mit einer Leistung von 3.900 kW verleihen sie der Bold Tern hervorragende Manövriereigenschaften und stellen sicher, dass sie sich das Schiff exakt an der definierten Position aus dem Wasser hebt – selbst bei Wellengang.
Montage einer neuen Windkraftanlage
Vor der dänischen Küste in Vindeby erzeugt seit 1991 der erste Offshore-Windpark Strom, anfangs mit 450 kW Leistung. Mit einer Nabenhöhe von 35 m und einem Durchmesser von ebenfalls 35 m war diese Windkraftanlage ein bescheidener Anfang. Aktuelle Windkraftanlagen wie die hier montierte ragen höher aus der Nordsee heraus als der Kölner Dom, dessen Türme über 157 m hoch sind. Mit einer Nennleistung von sechs Megawatt versorgt eine dieser Anlagen rechnerisch 3.500 Haushalte mit Energie.
157 m und mehr beträgt die Nabenhöhe moderner Windkraftanlagen. Das ist höher als die Turmspitzen des Kölner Dom.
Die Rotoren moderner Offshore-Windkraftanlagen haben einen Durchmesser von mehr als 150 m. Der mächtige Kran der Bold Tern bringt sie direkt an die Nabe in schwindelerregender Höhe. Auch wenn dabei nur eine leichte Brise wehen darf, verlangt das zentimetergenaue Rangieren der einzelnen Rotorblätter äußerstes Fingerspitzengefühl und viel Erfahrung. Ansonsten besteht unmittelbar Gefahr für die Anlagenkomponenten und das Team.
Qualitätskontrolle und Inbetriebnahme
Auch für das hochspezialisierte Team der Bold Tern ist der Aufbau dieser „grünen Giganten“ jedes Mal eine neue Herausforderung. Bei der Gründung der Bauwerke werden das Eigengewicht der Sockel sowie Meeresströmungen – insbesondere der Wechsel zwischen Ebbe und Flut – zur präzisen Positionierung genutzt. Über Wasser ermöglicht der Kran der Bold Tern Hebehöhen bis 157,5 m über dem Deck.
Pfusch am Bau ist strengstens verboten. Denn die prozessgetreue Montage von Offshore- Windkraftanlagen vom Fundament bis zur Rotorblattspitze ist Voraussetzung dafür, dass Wind dauerhaft effektiv in Energie umgewandelt werden kann. Die Anlagen müssen dem rauem Seeklima inklusive der gefürchteten Korrosion und Materialermüdung, Blitzschlag und Biofouling standhalten. Am Ende hat es das Team immer geschafft. So auch heute: Die neue Windkraftanlage geht ans Netz – und wird viele Jahre lang Tausende Kilowattstunden grünen Strom aus Windkraft liefern.
Riesige Komponenten unter extremen Wetterbedingungen montieren: Die Teams der Construction Support Operation Vessels bestehen aus erfahrenen Experten, die bei der Präzisionsarbeit auf hoher See einen kühlen Kopf und eine ruhige Hand bewahren.